
„Jesus lebte in einer Zeitenwende und wollte eine neue Weltordnung“
Der Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose hat in der katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ seine Vision eines radikal veränderten Christentums gezeichnet. Der Gesprächsabend war der Auftakt der neuen Wolfsburg-Themenreihe CHRISTSEIN IN DER ZEITENWENDE. Dazu ist eingeladen, wer auf der Suche nach neuen Ansätzen christlichen Lebens ist.
Der Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose hat in der katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ seine Vision eines radikal veränderten Christentums gezeichnet. Der Gesprächsabend war der Auftakt der neuen Wolfsburg-Themenreihe CHRISTSEIN IN DER ZEITENWENDE. Dazu ist eingeladen, wer auf der Suche nach neuen Ansätzen christlichen Lebens ist.
Radikal anders, aber auf jeden Fall ohne Macht und Kontrolle wünscht der Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose sich die Kirche der Zukunft. Nicht das Schrumpfen der Kirche rund um die verbliebenen Priester zu verwalten, sondern die sich verändernde Gesellschaft mitzugestalten, sei der Auftrag Jesu. „Das Maß ist voll“, sagte Hose am Donnerstagabend, 8. Oktober, in der katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim. Hose war eingeladen zum ersten Abend der neuen Themenreihe CHRISTSEIN IN DER ZEITENWENDE. Darin steht nicht die Expertendiskussion auf dem Podium im Mittelpunkt, sondern das offene Gespräch des Publikums mit einem Gast. Die schwere Zäsur des Missbrauchsskandals, verschleppte Kirchenreformen – für Akademiedozent Jens Oboth, der den Abend moderierte, ist klar: „Es ist noch längst nicht ausgestanden.“
In den Würzburger Hochschulgottesdiensten erlebt Burkhard Hose bereits eine „gottlose, linke, anarchistische“ Gemeinde, die nicht auf Mitgliedschaft gründe, sondern auf Zugehörigkeitsgefühl: Die Hälfte der Mitfeiernden ist katholisch, ein Viertel evangelisch, und auch Muslime sind dabei, erkennbar am Klingelton ihres Handys, der sie zur Gebetszeit ruft. Ein Modell für eine solche offene Zugehörigkeit findet Hose in der Zeit Jesu: Auch damals fühlten Gottesfürchtige aus anderen Kulturen sich zu Ethik und Monotheismus des Judentums hingezogen. Sie lebten ein „Judentum light“ ohne Beschneidung und Speise-Regeln, wurden hochgeschätzt, und viele von ihnen interessierten sich stark für das junge Christentum.
Überhaupt habe Jesus von Nazareth nicht im Sinn gehabt, die Religion zu reformieren oder eine Kirche zu gründen: „Er lebte wie wir heute in einer Zeitenwende, und er wollte eine andere Weltordnung“, so Hose. Wie Jesus sich diese neue Welt Gottes vorstellte, habe er in subversiven Geschichten erzählt, die allesamt vom Kontrollverlust handelten: von Unkraut, Saat, Senfkorn und Sauerteig, die ungezügelt wachsen und gedeihen.
Hose selbst hat den Umgang mit sexuellem Missbrauch als Bankrotterklärung der Kirche erlebt, die ihm jedoch auch enorme Lebensenergie gegeben habe: „Als Priester dieser Kirche will ich mich an Reförmchen nicht mehr beteiligen. Es geht nicht um eine neue Kirchenlehre oder ein Pastoralkonzept. Jetzt ist ein radikal neues Denken möglich.“
Schon längst ist Hose dabei, die Kirche Jesu außerhalb der verfassten Kirche zu entdecken: „In zivilgesellschaftlichen Bündnissen, die sich für Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung einsetzen, habe ich Menschen getroffen, mit denen ich viele Werte teile, ohne dass das von der Institution Kirche überwacht werden könnte.“ Außerhalb der Kirche gebe es unzählige wertvolle spirituelle Erfahrungen, und „das Eigentliche“ sind für Hose ohnehin nicht die korrekt gefeierten Sakramente, sondern das „Caritas“ genannte soziale Engagement der Christen.
Text: Cordula Spangenberg | Bistum Essen Foto: Alexandra Roth | Bistum Essen
