„Der Mensch bleibt ein soziales Wesen“ – Ausstellung des Fotografen Andreas Teichmann in der Wolfsburg und in der BIB – Bank im Bistum

Der Essener Fotograf Andreas Teichmann ist mitten im ersten Lockdown losgezogen und hat die soziale Verfasstheit der Menschen mit seiner Kamera eingefangen. Teichmanns Fotografien gewähren tiefe Einblicke in das Leben mit der Isolation und den Einschränkungen aufgrund der Pandemie. Die Autorinnen Kerstin Wördehoff und Liliane Zuuring haben alle Porträtierten ein Jahr später danach gefragt, wie sich ihr Leben seit und mit Corona verändert hat, und die Antworten aufgenommen. Entstanden ist ein Projekt aus Fotografien, Texten und Tonaufnahmen, das nun als multimediale Ausstellung in der Wolfsburg und in der BIB – Bank im Bistum Essen gezeigt wird – zum ersten Mal öffentlich.

Die katholische Akademie Die Wolfsburg zeigt in Kooperation mit der BIB – Bank im Bistum Essen die multimediale Ausstellung „Der Mensch bleibt ein soziales Wesen“ des Essener Fotografen Andreas Teichmann und der Autorinnen Kerstin Wördehoff und Liliane Zuuring. In der bis zum 31. Januar 2022 geplanten Schau an zwei Orten sind in der Wolfsburg in Mülheim 27 Motive ausgestellt, in der BIB – Bank im Bistum Essen sind es 14 Motive.

Teichmann hat im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 Menschen in ihren je eigenen coronabedingt neuen Lebenswirklichkeiten fotografiert – geleitet von der Frage: Bleibt der Mensch ein soziales Wesen? „Heute kann ich sagen: Die Antwort ist eindeutig: Ja!“, sagte Teichmann am Sonntag in der Wolfsburg bei der Eröffnung der Ausstellung „Der Mensch bleibt ein soziales Wesen“. „Corona hat uns eher eine physische als eine soziale Distanz gebracht.“

Ausstellung ist programmatisch für viele Wolfsburg-Veranstaltungen in diesem Halbjahr

In der Wolfsburg waren aufgrund der aktuell geltenden Corona-Schutzverordnung zur Vernissage wieder mehr Gäste erlaubt. „Dass so viele Menschen zur Eröffnung dieser besonderen Ausstellung in die Wolfsburg gekommen sind und auch kommen durften, erfreut mich sehr“, sagte Akademiedirektorin Judith Wolf. „Die Ausstellung ist programmatisch für viele Veranstaltungen der Wolfsburg im kommenden Halbjahr, die die Folgen der Corona-Pandemie reflektieren werden.“

Der Sprecher des BIB-Vorstandes, Peter Güllmann, sagte: „Die Pandemie ist wie eine Bombe in das soziale Leben eingeschlagen.“ Die Ausstellung zeige, dass der Mensch als soziales Wesen immer Ausschau halte nach Nähe und Begegnung. Güllmann verwies auf die Stellungnahme des Rates für Wirtschaft und Soziales des Bischofs von Essen, mit der an Aschermittwoch zu mehr Solidarität in der Gesellschaft aufgerufen worden war – während der Corona-Krise, aber auch für die Zeit nach der Pandemie.

Foto-Motive aus Begegnungen mit Menschen in unterschiedlichen Kontexten

Zunächst gewährten Teichmann im Frühjahr 2020 Menschen aus seinem privaten Umfeld Einblicke in ihr soziales Sein und Leben mit der Pandemie. Dann begegnete der Foto-Künstler mit Unterstützung der Kirche, sozialer Verbände, von Schulen, Altenpflegeeinrichtungen, Kitas und Kliniken Menschen in ganz unterschiedlichen Kontexten.

Teichmanns großformatige Fotografien nehmen uns mit zu diesen Begegnungen und spiegeln, wie gravierend die Pandemie das Miteinander der Menschen und seine Ausdrucksformen verändert hat. Seine Bilder zeigen uns hautnah und schonungslos die emotionale Bandbreite des Menschen als Beziehungswesen in existenziellen Momenten, die viele emotionale Facetten reflektieren.

Vom Intensivpatienten und der Erzieherin bis zum im Wald spielenden Trompeter

In der Ausstellung gezeigt werden etwa Fotografien von einem mit Corona infizierten Intensivpatienten mit Beatmungsmaske und Schläuchen über dem Brustkorb, von einer Intensivkrankenschwester in Schutzkleidung, von Trauernden auf Abstand bei einer Beerdigung, von einer Erzieherin, die einem Kita-Kind hinter einer Scheibe zuwinkt, von einem Musikstudenten, der mit seinem Trompetenlehrer im Wald übt, weil im Mai 2020 Blasinstrumente in den Räumen der Hochschule nicht gespielt werden dürfen. Viele der Fotografierten waren bei der Eröffnung der Ausstellung dabei, wie der Musikstudent Manuel Galemann, der wegen der Corona-Beschränkungen im Wald üben musste und am Sonntag seine Trompete auf der Terrasse der Wolfsburg unter freiem Himmel spielte.

Über QR-Codes können Besucher:innen der Ausstellung Aussagen der Fotografierten anhören

Zu jedem Foto-Motiv gibt es Texte und Tonaufnahmen, die die Autorinnen Wördehoff und Zuuring nach Interviews mit den Fotografierten geschrieben und zusammengeschnitten haben. Denn alle Porträtierten wurden ein Jahr später von Wördehoff und Zuuring fast ausschließlich online danach gefragt, wie sich ihr Leben verändert hat, und die Antworten wurden aufgezeichnet.

Alle Motive der Schau sind mit QR-Codes versehen. Zum Nachhören müssen Besucher:innen nur mit ihrer Smartphone-Kamera den Code einscannen, auf Start klicken und können dann zuhören, wie die Befragten mit der Pandemie leben und wie sie sich auf ihren Alltag und ihren Beruf auswirkt.

Auch zwei Fotografien des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck

Zu sehen sind auch zwei Fotografien mit dem Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Der Essener Bischof feierte seinen einzigen öffentlichen Gottesdienst am Ostersonntag im April 2020 in der Akademiekirche der Wolfsburg. Die Messe erreichte die Menschen per Livestream. Gottesdienste waren zu der Zeit aufgrund der geltenden Verfügungen untersagt. „Ich halte die Pandemie für eine Prüfung, weil sie uns noch einmal wie in einem Brandbeschleuniger zeigt, in welcher Zeit wir leben und was es bedeutet, dass wir auf eine ungewöhnliche Art, neu mit der Endlichkeit und Vergänglichkeit des Lebens umgehen müssen“, sagt Overbeck in dem Audio-Beitrag.

Autorinnen bewundern große Offenheit der Interviewten

„Es ringt mir große Bewunderung ab, wie offen und ehrlich alle Befragten geantwortet haben“, erzählte Autorin Liliane Zuuring. „Jede Geschichte war sehr berührend, und in jeder Geschichte kann man sich wiederfinden.“ Ihr Fazit: „Das Projekt hat deutlich gezeigt, der Mensch hat keine andere Chance, als ein soziales Wesen zu bleiben, es ist schlicht eine Notwendigkeit.“

Co-Autorin Kerstin Wördehoff berichtete, alle Interviewten seien unglaublich offen gewesen und hätten sich die Frage gestellt, wie sich mit Corona die Gesellschaft verändern werde. Aber: „Niemand war pessimistisch, alle haben positiv in die Zukunft geblickt.“ Als „wertvollsten Moment“ des Projekts bezeichnete Wördehoff die Vernissage. „Das Schönste sind die richtigen Begegnungen.“

Info: Das Team hinter dem Projekt

Andreas Teichmann lebt mit seiner Familie in Essen und arbeitet seit 25 Jahren als freier Fotograf. Er hat an der Folkwang-Universität der Künste studiert. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt.

Kerstin Wördehoff hat nach einem Volontariat bei einer Zeitung neun Jahre als freiberufliche Redakteurin gearbeitet. Heute gibt sie ihr Wissen als Bildungsmanagerin in einer Akademie für Journalismus und Kommunikation weiter.

Liliane Zuuring ist Redakteurin bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung und erzählt seit Jahrzehnten fesselnde Geschichten von Menschen.

Weitere Informationen unter: www.dermenschbleibteinsozialeswesen.de

Service: Öffnungszeiten der Ausstellung in der Wolfsburg und in der BIB – Bank im Bistum Essen

Die Ausstellung im Forum und im Atrium der Wolfsburg am Falkenweg 6 in 45478 Mülheim ist montags bis samstags von 9 bis 18 Uhr sowie sonntags von 9 bis 14 Uhr geöffnet. Das Foyer der BIB – Bank im Bistum Essen an der Gildehofstraße 2 in 45127 Essen ist montags bis mittwochs von 9 bis 16 Uhr, donnerstags von 9 bis 17.30 Uhr und freitags von 9 bis 15 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Text: Maria Kindler

Fotos: Rupert Warren