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Bischof: „Kompromisse sind nicht immer faul“

Der Essener Bischof äußert sich besorgt über verhärtete Fronten in der Kirche

Besorgt über die zunehmende Verhärtung der Fronten zwischen Traditionsbewahrern und Reformern der katholischen Kirche ist der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. „Ich will von keiner Seite eine Ideologie“, sagte Overbeck am Dienstagabend (18. April 2023) in der Gesprächsreihe Dialoge mit dem Bischof in der Wolfsburg. Nach Ansicht des Bischofs kommen aggressive Vorstöße derzeit vor allem von rechts, „wie sie im Auftreten des Moskauer Patriarchen Kyrill zutage treten, wenn er das autoritäre System Russlands  gegen die freiheitliche Ordnung Europas ausspielt.“ Aber auch radikale Demonstrationen am Rande der fünften Versammlung der katholischen Reformbewegung „Synodaler Weg“ im März in Frankfurt am Main kritisiert Overbeck. Gegen die Christen in der Synodal-Aula sei lautstark „angebetet“ worden, zudem seien fiktive Totenzettel mit Sterbedatum für Bischof Georg Bätzing, den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), auf der Straße verteilt worden.

Overbeck, der als Vorsitzender der Glaubenskommission der DBK und mit umfassenden Entscheidungsbefugnissen für seine Diözese ausgestatteter Bischof natürlich auch „den Laden zusammenhalten muss“, wie er immer wieder betont, sieht einerseits die Einwände der Traditionsbewahrer, für die die ersten christlichen Jahrhunderte den Handlungsspielraum für jegliche Weiterentwicklung bilden. Andererseits hält er „die Zeichen der Zeit“ für ein ausschlaggebendes Kriterium des heutigen Christentums: Wenn die Gemeinschaft der Gläubigen einen neuen Glaubenssinn spüre, könnten Bischöfe nicht einfach ihre Macht dagegen setzen: „Man muss die Fähigkeit zum Kompromiss haben – der ist nicht immer faul.“

Rund 1,3 Milliarden Katholiken würden derzeit nach wie vor zusammengehalten in einer zentralistisch geführten Kirche. Aber die kirchlichen Erfahrungen hierzulande in einer liberal-demokratischen Gesellschaft mit rechtsstaatlichen Prinzipien seien wenig vergleichbar mit den Lebensumständen am Amazonas, wo Frauen mangels klerikaler Lösungen selbstverständlich ihre Gemeinden zusammenhielten und sakramentale Aufgaben übernähmen, so Overbeck.

Um Konflikte zwischen Bewahrern und Reformern sowie den Kirchen auf allen Kontinenten zu lösen, müsse man eine Antwort auf die Frage geben: „Wie finden wir ein praktizierbares Mittelmaß, um die Mehrheit der Menschen zusammenzubringen, ohne die Minderheit auszuschließen?“

 

Text: Cordula Spangenberg | Bistum Essen

Fotos: Achim Pohl | Bistum Essen

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